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CH.Mauras fotografische Strategie

 

Was ist Fotografie anderes als das „Zeichnen mit Licht“? Waren dazu vor noch nicht allzu langer Zeit äußerst komplizierte und auch kostspielige Apparate nötig, scheint es heute so zu sein, dass ein Smartphone genügt, um selbst unter den kompliziertesten Lichtverhältnissen eindrucksvolle Bilder zu erzeugen. Allein von der technischen Voraussetzung her bedarf das Fotografieren also keines besonderen Aufwandes mehr.

 

Diese Entwicklung machte das Fotografieren nicht nur zum Kinderspiel, sondern ermöglichte auch unmittelbarer, spontaner und direkter zu fotografieren. Von dem berühmten Fotografen Henri Cartier-Bresson ist überliefert, dass er seine silbern glänzende kleine Leica schwarz lackieren ließ, damit sie nicht auffalle, denn er war sich bewusst, dass sich eine Szene verändert, sobald eine Fotokamera ins Spiel kommt. Smartphones erregen keine besondere Aufmerksamkeit mehr, weil sie heutzutage omnipräsent sind.

Jene unauffällige Omnipräsens macht es möglich, den „entscheidenden Augenblick“, um den es Cartier-Bresson ging, genau zu treffen. Dieser Umstand legt wiederum ein besonderes Gewicht auf das Gespür des Fotografen für den optimalen Moment der Stimmigkeit aller Details im Bildausschnitt.  

 

Unter den Kunstschaffenden der Region gehört "CH.Maura" zu denjenigen, die genau jene besondere Eigenschaft des Smartphones schätzen und schon seit langem in dem oben angeführten Sinn nutzen. Bei seinen Arbeiten fällt auch auf, dass die Besonderheit der neuen Technik wohl auch das Vorgehen des Fotografen verändert, denn damit wird es möglich, sich ganz auf die Erlebniswelt einzulassen. Hier wird nichts inszeniert und aufgestellt, sondern das bewusst oder unbewusst Wahrgenommene wie im Vorbeigehen abgelichtet. Die Auswahl und gegebenenfalls Löschung erfolgt in einem späteren Selektionsprozess. Auf diese Weise entsteht ein spielerischer Kontext, der eher dem Charakter eines Films entspricht als dem statischen einer Fotografie.

 

Was bereits bei CH.Mauras Arbeiten, die 2010 in der Galerie „Strümpfe“ zu sehen waren, auffällt  - er  ist  kein Freund von „allzu glatt“, sondern vielmehr einer, der genau hinschaut und dabei nicht einfach nach oberflächlich wirkungsvollen Effekten sucht, sondern trotz der scheinbaren Flüchtigkeit seiner Aufnahmen die formalen Wechselbeziehungen zwischen Gegenstand und Raum immer genau im Blick hat.

Beispiel Venedig: Dort, wo andere romantische Gondeln sehen, erscheinen bei CH.Maura abgefackelten Mülleimer und Brandspuren, die eine ganz andere Geschichte erzählen als die immer wiederkehrenden, redundanten Szenen. Seine besondere Motivwahl vermittelt über das Visuelle hinaus auch einen intensiven stofflichen Eindruck. Man spürt in diesen Fotografien regelrecht die Materialität der abgebildeten Dinge.

 

Fragt man ihn diesbezüglich nach Vorbildern, so verweist er auf eine ganze Reihe von bedeutenden Künstlern der Gegenwart, zum Beispiel auf Gerhard Richter. Fundamental an Gerhard Richters Werken sei für ihn die Wechselwirkung zwischen dem Gegenständlichen und der Abstraktion, ein Spannungsverhältnis, das Richter nicht zuletzt durch die Übermalung vorgefundener Fotografien erzeugt habe, erzählte CH.Maura bei einem Gespräch über seine neuesten fotografischen Arbeiten, die während des Corona Lockdowns entstanden sind.

 

Im Vergleich zwischen den neuen Arbeiten und denen aus der oben erwähnten Ausstellung von 2010 fällt auf, dass sich sein fotografisches Konzept seither kaum verändert hat, wobei er die kontinuierliche Weiterentwicklung der Technik konsequent anwendet. So gelingt die Wechselwirkung zwischen scharfen Konturen und einem verschwommenen Hintergrund ästhetisch wirkungsvoller, sodass der fokussierte Gegenstand wie eine Skulptur im Raum erscheint. Auf diese Weise verstärkt sich der emotionale Eindruck dieser Bilder.

 

Nach wie vor sind es verlassene Gebäude oder abgenutzten Gegenstände, die bei gleichzeitiger Erinnerung an das vorher Gewesene Niedergang, Verfall oder Einsamkeit suggerieren. Bei den neuesten Arbeiten bewegte sich CH.Maura auf dem Konversionsgelände der ehemaligen Franklin Kaserne in Mannheim. Unscharfe oder überbelichtete Momentaufnahmen wechseln sich hier mit klar konturierten Formen ab. Dabei denkt man an das oben angeführte Richterzitat, das darauf abzielt, im Bild eine Stimmung entstehen zu lassen, die über das Gegenständliche hinausführt.

Diese geheimnisvolle Verbindung zeigen auch die fragmentarisch schattenhaften Spuren menschlichen Lebens.

Hier kommt in einem gewissen Sinne die Zeitlichkeit zum Tragen, die ja bei manchen Fotografien wie angehalten erscheint, bei CH.Maura jedoch bewusst in Szene gesetzt wird.

Text: Dr. Helmut Orpel - Mannheim

© 2020 by CH.Maura / Mannheim 

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